von Elke Lier / 22.07.2011 / otz / gera

Morgen im Haus Schulenburg: Filmvorführer Reinhard Wähler zeigt den letzten DDR-Augenzeugen.

Gera. Morgen Abend kommen Filmvorführer Reinhard Wähler und seine Transportfilmkamera TK 35 zu neuem Einsatz.

Den letzten "Augenzeugen" der DDR-Wochenschau von 1980 zeigt der 70-Jährige auf dieser Transportfilmkamera mit Zeiss-Projektor. TK steht für Tonkinokoffer. Dieser Koffer war treuer Begleiter Reinhard Wählers, des Landfilmvorführers der 60er Jahre. Später qualifizierte er sich an der Filmhochschule Babelsberg zum Facharbeiter für Filmwiedergabe und wurde später Filmtheaterleiter. "Ein Leben für den Film" nennt er seine 32 Berufsjahre von 1959 bis zum "Abspann" der Bezirksfilmdirektion Gera 1991. "Ich habe Kino von der Pike auf gelernt", sagt er.

In den 50er Jahren, als der Landfilm in der DDR aufkam und im Kreis Gera in fast jedem Ort wöchentlich ein Kinder - und ein Abendfilm gezeigt wurden, war der junge Mann sehnlich erwartet auf den Dörfern. "Fernsehen gab es noch nicht und so war ich als Filmvorführer neben dem Pfarrer, dem Bürgermeister und dem Wirt einer der wichtigsten Leute im Dorf."` Landfilmvorführer war harte Knochenarbeit. Anfangs strampelte der 18-jährige Reinhard auf dem Fahrrad in seine Spielorte, später düste er auf dem Moped, dann mit dem Barkas ans Ziel. Bis in die 60er Jahre transportierten Bauern den Film gegen Gratis-Eintritt in die Dörfer. "Doch in der Erntezeit fiel der Kinderfilm oft der Ernte zum Opfer", erinnert sich Reinhard Wähler. Bis zu acht Zentner wog die Anlage, die der Vorführer drei Treppen hoch in den Dorfsaal schleppte, aufbaute, einrichtete und wieder auflud. "Die Freude meiner Besucher hat mich entschädigt." 

Mit dem Fernsehen hatte der Landfilm ausgespielt, doch Sonderbespielungen für Internate, Krankenhäuser, Altersheime, Ferienlager, Jugendclubs oder Betriebskinderweihnachtsfeiern brauchten weiter einen mobilen Filmvorführer. Zum absoluten Renner entwickelten sich in Feriengebieten abendliche Freilicht-Kinovorführungen. "Ich sah es bei den Tschechen und organisierte es fürs Strandbad Aga"erinnert sich Wähler seiner Aktion.`

 Aufs Konsumvordach installierte man die Leinwand. Das Wetter schien ungetrübt, der französische Film "Angelique" lief. ´Gerade als die Hauptdarstellerin sich freizügig die Bluse aufknöpfte, riss ein heftiger Windstoß die Leinwand um. Sofort zurrten kräftige Männer die Wand wieder fest und auf Wunsch der 300 Zuschauer legte Reinhard Wähler die 2. Rolle erneut ein und die Bluse wurde wieder aufgeknöpft...

Immer mehr Ostthüringer Ferien -und Freizeitdomizile wie der Zeltplatz Pöritzsch bei Saalburg, Ziegenrück oder die Aumatalsperre Weida nutzten das Kino im Freien, aus dem sich die Sommerfilmtage entwickelten. Reinhard Wähler begleitete und chauffierte Filmdelegationen mit prominenten Schauspielern und Regisseuren wie Goijko Mitic, Frank Schöbel, Helmut Schreiber. "Die Leute waren damals dicht dran am Film", beschreibt der Filmenthusiast diese Zeit. Doch mit der Sommerzeit verschob sich der Filmstart in sehr späte Abendstunden, raubte den Zeltlern den Schlaf, die Sommerfilmtage schliefen ein. 

Reinhard Wähler, der in Ronneburg, Crossen und an der Filmbühne Gera an stationären Maschinen arbeitete, "damals sogar noch mit Kohle-Bogenlampe", war Kino-Theaterleiter in Langenberg, Mechaniker in der Werkstatt, führte im Geraer Stadion Filme vor, schwitzte in der Lagerhalle von Aga, wo die Sonne das Wellblechdach aufheizte. Trotzdem sagt er: "Keinen Tag möchte ich missen. Am liebsten habe ich immer im Freien gespielt, hautnah das Lachen, die atemlose Stille des Mitfühlens, das spannungsgeladene Luftanhalten, den Beifall der Zuschauer miterlebt." 

Jetzt freut er sich aufs Come back im Haus Schulenburg. Eines ist kurios: "Ich muss zugeben, ich war noch nie im UCI-Kino. Obwohl, die Technik dort würde mich schon sehr interessieren.