„Henry van de Velde in seinem künstlerischen Umfeld“, 17. April bis 22. Dezember 2013 

 Das Phänomen Henry van de Velde entspringt den künstlerischen und intellektuellen Bestrebungen um 1895: der Arts and Crafts-Bewegung in England, der japanischen Kunst, der belgischen und französischen Avantgarde. Neben den Arbeiten van de Veldes widmet sich die Ausstellung „Henry van de Velde in seinem künstlerischen Umfeld“  auch Werken seiner Wegbegleiter und Schüler in verschiedenen Entwicklungsetappen. 

In seiner Pariser Zeit von 1895 bis 1900 befindet sich Henry van de Velde im Schmelztiegel der beginnenden Moderne. Für die Galerie Art Nouveau von Siegried Bing lässt er Möbel herstellen, die das Publikum polarisieren. Seine Kontakte zur französischen, künstlerischen Avantgarde: zu Impressionisten, Neoimpressionisten, Nabis, zum französischen Kunsthandwerk, zu Tiffany-Glas und vor allem zur japanischen Kunst, die Siegfried Bing monopolartig vertrieb, werden offenkundig. In der Ausstellung werden unter anderem alle drei Bände des berühmten japanischen Formenschatzes sowie „Die Kultur Amerikas“, eine wichtige Schrift über amerikanische Kunst um 1890 zu sehen sein (beides von Siegfried Bing). Die Van de Velde-Möbel für Siegfried Bing und Skulpturen des belgischen Bildhauers Konstatin Meunier erregten 1997 auf der Internationalen Kunstausstellung in Dresden großes Aufsehen. Die Ausstellung zeigt die originalen Ausstellungstafeln.

 

1899 stattete Henry van de Velde die berühmte Kunsthandlung „La Maison Moderne“ von Julius Meyer Gräfe in Paris aus. Die Ausstellung im Haus Schulenburg präsentiert einen sonst unauffindbaren Katalog dieser Kunsthandlung und dokumentiert auf Bildern die komplette, von Pariser Eleganz inspirierte, Innenausstattung des Meisterarchitekten.

 

Den künstlerischen Eindruck „1900“ vervollständigt eine Wand mit Grafiken von Ludwig von Hoffmann, Paul Baum, Emil Orlik, Maurice Denis, Frank Brankwyn, Julian Pissaro und Hans Olde. Sehr beeindruckt war Henry Van de Velde von den in Farbholzschnitt ausgeführten Kinderbüchern des englischen Arts and Crafts-Künstlers Walter Crane. Cranes Holzschneider Edmond Evans wiederum war beeinflusst durch neoimpressionistische Farbtheorien. Eine große und beeindruckende Auswahl dieser wunderschönen Kinderbuchillustrationen können Besucher in der Ausstellung sehen.

 

Die nächste bedeutende Etappe Henry van de Veldes ist die Weimarer Zeit von 1902 bis 1917.  Seine künstlerischen Wegbegleiter waren unter anderem Prof. Richard Engelmann und Prof. Walter Klemm.

Richard Engelmann schuf die Brunnenfigur „Kauerndes Mädchen“ für Haus Schulenburg. In der Ausstellung werden neben Originaldokumenten aus dem Privatarchiv Richard Engelmanns, eine Selbstporträtzeichnung und Kaltnadelradierungen einen Einblick in die Arbeiten des Künstlers van de Velde-Freundes  geben.

 

Einer der Höhepunkte für Kunstkenner und Ausstellungsbesucher ist der 1923 von Walter Klemm geschaffene Zyklus von colorierten Kaltnadelradierungen „Die Prinzessin von Babylon“. Dieser Zyklus gehört zweifelsohne zu den besten Arbeiten des Künstlers und erschien im Reiher-Verlag von Otto Dorfner.

 

Otto Dorfner, der bereits an der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule von Henry van de Velde Leiter der Buchbindewerkstatt war, stellte in seiner eigenen Werkstatt auch die von van de Velde-Schüler Thilo Schoder entworfenen und ausgestellten Ledereinbände her. Die Ausstellung im Haus Schulenburg zeigt eine große Auswahl dieser sehr seltenen Schoder-Einbände. Schoder war seit Anfang 1916 künstlerischer Berater der Fahrzeug- Karosserie- und Zubehörfabrik Traugott Golde in Gera, verantwortlich für die Neugestaltung der Zeitschrift „Deutsche Fahrzeugtechnik“ und für den Entwurf moderner Autokarosserien. Zwei großformatige Karosserieentwürfe demonstrieren die Weiterentwicklung van de Veldescher Gestaltungsprinzipien im Bereich des Industriedesign.

 

Eine Wiederentdeckung und nahezu einzigartig ist das grafische Werk des Van de Velde-Schülers, Jungmeisters am Bauhaus und späteren Chefgestalters des Eugen-Diederichs-Verlages in Jena, Max Thalmann. Der großformatige Holzschnittzyklus „Der Dom“ war 1923 in Chicago zu sehen und ist jetzt im Haus Schulenburg ausgestellt.

 

Paris vor 1900, das Weimarer Umfeld Henry van de Veldes und die Fortführung seiner Impulse durch wesentliche Schüler lassen das Phänomen van de Velde noch deutlicher zutage treten. Von einem Mitarbeiter wurde beschrieben, dass zwischen der Person van de Velde und seinem Werk eine völlige Übereinstimmung bestand. Zwischen van de Velde und seinem künstlerischen Umfeld bestand ein interessantes Spannungsfeld.