Liebe Freunde von Haus Schulenburg, 

Bauhaus-Jahr 2019 – langsam geht es los. Etwa ein Jahr vor der offiziellen Eröffnung werden schon Ausstellungen in den Museen aufgebaut. Zum Bauhausjahr wird ein Buch mit 100 Geschichten rund ums Bauhaus erscheinen. Wir haben auch eine Story vorgeschlagen. Diese rankt sich um ein Bild in unserem Magdeburger Büro in der Tagesklinik an der Sternbrücke.

Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Geschichte und verbleiben mit den besten Wünschen für 2018

Rita und Volker Kielstein

 

 

 „Sagen Sie, Herr Gropius, können Sie einen Gesellen gebrauchen?“ - vom Kriegsfreiwilligen des 1. Weltkrieges bis zum linksliberalen antifaschistischen Widerstand – der ungewöhnliche Berufsweg des Bauhausschülers Werner Chomton (1895-1953) 

 Im Jahr 2016 tauchte im Handel das Bild „Der stürmische Frühling“ auf, ein Bild von Werner Chomton aus dem Jahr 1952. Der Ankündigung nach habe Chomton am Bauhaus in Weimar Unterricht bei Johannes Itten und Lyonel Feininger gehabt. Ein solcher Hinweis macht neugierig. Also begab ich mich auf Spurensuche. 

Meine Recherchen im Hauptstaatsarchiv Weimar, staatliches Bauhaus Weimar führten zu einem Archivbestand von immerhin 28 Seiten, genügend, um den Bauhausschüler etwas näher kennenzulernen. Außerdem hatte ich ja noch das Internet und einige Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte.

Werner Chomton wuchs in Bernburg (Anhalt) und Saaralten in Lothringen auf. Der Vater war Ingenieur und leitender Angestellter bei den Deutschen Solvey-Werken. Werner Chomton besuchte von 1906 bis 1912 das Gymnasium in  Lörrach, von 1912 bis zum Abitur 1914 ging er in Freiburg i. Breisgau zur Schule. 

Schon während seiner Schulzeit sträubte sich der junge Werner gegen jede Art von Zwang. Der Zeichenunterricht in der Schule nach Gipsmodellen und Vorlagen gefiel ihm nicht. „Ich bin völlig Autodidakt. Gegen jede Art von Unterricht habe ich mich immer gesträubt“ (1). Stattdessen ging er in die Museen und Ausstellungen, studierte die alten und neuen Meister. „Von der modernen Malerei habe ich erst gegen Ende des Krieges … gesehen“, schreibt er später (1). 

Am 26. Juli 1919 bewirbt sich Werner Chomton mit Lebenslauf, Leumundszeugnis und Proben seiner Arbeiten am Bauhaus für das „nächste Wintersemester“. Er beschreibt darin  die reichhaltige Kunstbibliothek des Vaters und seine eigene Freude nach der Natur „alles Lebendige“ zu zeichnen und zu aquarellieren und dass er bereits 1910 begann „auf eigene Faust“ mit Ölfarben zu malen (1). Da war Werner Chomton 15 Jahre alt.

Auch  Angaben zum 1. Weltkrieg sind in seinem Lebenslauf zu finden

„Im August 1914 wurde ich Soldat. Von September 1914 bis August 1918 war ich fast ununterbrochen an der Front. Zuerst als Jäger, dann bei der Infanterie und M. G. Formation und Schneeschuh Bataillon, seit 1916 als Flieger an allen Teilen der West-, Ost- und Südfront. 1918 kam ich wegen nervösen Zusammenbruchs nach Deutschland zurück… Seit Januar 1919 studiere ich in München bei der philosophischen Fakultät“ (1).

 Am 6. Oktober 1919 trat Werner Chomton ins Bauhaus ein. Vermerkt sind in den Archivunterlagen: Itten/Druckerei, W(alter) G(ropius) 1920/21, Holzbildhauerei, Abmeldung vom Bauhaus 8.9.1921 (1).

Chomton wird Mitglied der Studentenvertretung des Bauhauses. Am 17.7.1920 telegrafiert er von der Gründungsversammlung des „Reichsbundes deutscher Kunstschüler“ an Gropius: „Reichsbund deutscher Kunstschüler  gegründet – Bauhausprogramm durchgesetzt – Kundgebung an Landtag folgt per Post – Redaktion der Verbandszeitschrift Weimar“ (1).

 1920 heiratet er Elisabeth (Lis) Abegg, ebenfalls von 1919 bis 1921 Schülerin des Bauhauses, eingetragen mit Dörte Helm in der Werkstatt für Wandmalerei (2). Lis Abegg gehörte ebenfalls der Studentenvertretung an (2). Sie gilt übrigens als die beste Freundin der berühmten Textilgestalterin Gunta Stölzl (3), in einer privaten Sammlung findet sich eine Kohlezeichnung Gunta Stölzls von dem Säugling der Chomtons.

 Der vorzeitige Abgang des Ehepaares vom Bauhaus 1921 hatte offensichtlich wirtschaftliche Gründe, Werner hatte Probleme, das Schulgeld aufzubringen und war wegen des inzwischen geborenen Sohnes gezwungen, ein bezahltes Arbeitsverhältnis aufzunehmen.

Nach seinem Abgang vom Bauhaus fand der ehemalige Bauhausschüler eine Arbeit beim Tischlermeister Scheper, Badbergen, Reg. – Bezirk Osnabrück.

 Dennoch möchte Werner Chomton unbedingt zurück nach Weimar.

 Am 14. Februar 1923 schreibt er an Walter Gropius: „Sagen Sie, Herr Gropius, können Sie einen Gesellen gebrauchen? ... Ich habe jetzt zweieinhalb Jahre „draußen“ gelernt. Es waren für uns beide harte Jahre, aber wertvolle Lehrjahre in jeder Beziehung. Wenn ich jetzt den Wunsch äußere, wieder ans Bauhaus kommen zu dürfen, so tue ich in dem Bewußtsein, in dem bescheidenen Rahmen, der mir gegeben ist, mitarbeiten zu können, das Postulat „Bauhaus“ bei Ihnen der Realität näher zu bringen … Nur als Schüler kann ich nicht kommen, denn ich muss meine Familie ernähren, aber als Geselle und Schüler käme ich gerne“ (1).

 Gropius zurück am 19. Februar 1923 (1):

„Ich habe mir Ihre Sache hin und her überlegt, kann es aber im Augenblick nicht riskieren bei Ihrer wirtschaftlichen Lage, die ich vollkommen verstehe, Ihnen Zusicherungen zugeben, die Sie sicher stellen. Sie kommen leider damit etwas zu spät. Ich habe gerade 2 Gesellen eingestellt, die für die Bauhausausstellung mitarbeiten und habe keinen Grund, diese vorzeitig zu entlassen. Für weitere Einstellungen fehlt aber das Geld. Unsere Tischlerei ist aber augenblicklich in der Entwicklung und im Fluß, dass in absehbarer Zeit Veränderungen eintreten können (1).

Grüßen Sie Ihre liebe Frau und seien Sie selbst auch herzlich gegrüßt von Ihrem G.“

 Chomtons Wunsch erfüllt sich nicht, aber er bleibt mit Gropius in Kontakt.

 Chomton aus München an Gropius, 24. August 23 (1):

„Leider war es mir nicht möglich, zum großen Tag nach Weimar zu kommen. Meine Einnahmen und meine verkaufte Zeit  erlauben es nicht … So darf ich wohl Ihnen als dem Vater des Bauhauses (zu dem wir uns hier in der Diaspora immer noch rechnen) meinen herzlichen Glückwunsch sagen (gemeint ist die Bauhausausstellung in Weimar 1923 d. V.) und der Hoffnung Ausdruck geben, dass der Brunnen, die Sie gebohrt haben, immer stärker fliessen möge, um … der Strom zu werden, der die neue Kultur trägt! …

Ich bin jetzt in einer sogenannten kunstgewerblichen Werkstatt (Kleinmöbel und Beleuchtungskörper aus Holz) als künstlerischer und technischer Leiter, das heisst ich bin Mädchen für alles, mache Entwürfe, Werkszeichnungen, in der Werkstatt Modelle und muss für den Verkauf sorgen.

Seit April bin ich hier ohne die Möglichkeit, mit meiner Frau zusammenzuleben. Sie ist mit dem Kind bei meinen Schwiegereltern, weil wir absolut keine Wohnung finden. Nicht mal möbliert. Im Stillen hoffe ich, dass Sie mich doch noch einmal werden brauchen können. Meine Frau träumt immer nur von Weimar. Ich grüße Sie herzlich Ihr alter Werner Chomton“

 Gropius zurück am 12.September 23 (1):

„Aber verlassen Sie sich darauf, dass ich Ihnen die nächste freiwerdende Gesellenstelle anbieten werde, sobald Aufträge vorliegen. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie vorläufig Ihre Stelle dort behalten und bei dieser augenblicklichen Wirtschaftslage nicht in Gefahr geraten.

Grüßen Sie sehr Ihre Frau Ihr G.“

 In den 30er bis in die frühen 50er Jahre wird Werner Chomton als Illustrator und teilweise auch Autor von Abenteuer- und Jugendbüchern bekannt, verlegt hauptsächlich im Thienemann-Verlag Stuttgart, Jugendbücherreihe „Meine kleine Bücherei“. Seine Werke zeichnen sich durch Bewegung und Lebendigkeit aus. Er zeichnet äußerst realistisch packende Szenen.

1935 meldet sich der Leutnant a. D. Werner Chomton als Offizier zum Dienst zurück (4).

1939 arbeitet er als Major im Stabe des Generals der Flieger und Chef der Luftwaffe, Hugo Sterrle, München.

„Hatte das Ehepaar Chomton die Machtübernahme Hitlers zunächst begrüßt, wandelte es sich nach den Röhm-Morden zu entschiedenen Gegnern“ (4).

 Eine entfernte Verwandte von Lis Chomton war Luise Wilhelmine Elisabeth Abegg (5). Sie studierte 1912 als eine der ersten Frauen an der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg Geschichtswissenschaft, klassische Philologie und Romanistik. 1916 promovierte sie in Leipzig zur Geschichte des italienischen Mittelalters. In den 20iger Jahren beteiligte sie sich an einem Projekt für benachteiligte Jugendliche vor allem für junge Frauen, sie war Mitglied der Linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. Ab 1933 engagierte sie sich für Verfolgte der Nazis, hauptsächlich für Juden in Deutschland (5). Seit Mitte der 30iger Jahre unterhielt sie enge Kontakte zur linksliberalen Robinsohn-Strassmann Gruppe. Diese Gruppe vertrat linksliberale Positionen, hatte etwa 60 Mitglieder und versuchte Weichen für die Regierungsform nach Hitler zustellen. Die Gruppe wurde von der Gestapo nie ausgehoben. Gründe dafür  waren ein kleiner Kreis von Mitwissenden, Beachtung konspirativer Regeln und vor allem der,nichts schriftlich festzuhalten (6).

Diese Frau Dr. Elisabeth Abegg machte im Frühjahr ihre Studienkollegin und Freundin  Gertrud Hoernigk  auf Werner Chomton aufmerksam, der im Stabe der Luftwaffe 3 arbeitete (4). Chomton sollte vom Widerstand überzeugt werden.

 „Nachdem Gertrud Hoernigk den Hinweis auf Chomton erhalten hatte, informierte sie umgehend Strassmann, der sich wiederum mit Oster abstimmte. Den Auftrag, bei Chomton vorzufühlen, erhielt der Naumburger Referendar Frank Hoernigk. Im Juni und Juli 1939 fuhr er zweimal über Bamberg, wo er bei Thomas Dehler Station machte, nach München. Dem Ehepaar Chomton war sein Besuch unverfänglich angekündigt worden. Als Hoernigk das Gespräch auf die Beurteilung politischer Fragen lenkte, sprang Lis Chomton als Erste darauf an. Mit Unterstützung der couragierten Frau gelang es Frank Hoernigk, den bedächtigeren Werner Chomton für den Widerstand zu gewinnen. In der Folgezeit hielt Thomas Dehler die Verbindung. Sie war besonders interessant, weil Chomtons Befehlshaber, der Fliegergeneral Sperrle, schon 1937 Differenzen mit NSDAP-Dienststellen gehabt und deshalb das Kommando über die im spanischen Bürgerkrieg eingesetzte Legion Condor verloren hatte. Frank Hoernigk konnte Strassmann nun (über Chompton, Anm.)Stimmungsberichte aus dem Stabe Sperrles liefern“ (4).

 Über das weitere Leben Werner Chomtons bis 1953 konnte ich bis auf das Gemälde „Der stürmische Frühling“ (1952) und den stark autobiografisch geprägten Roman „Soldat in den Wolken“ (Kriegserinnerungen aus dem 1. Weltkrieg) keine Quellen finden. Werner Chompton: Eine Spurensuche, die weiter interessant bleibt.

 

Literaturverzeichnis

 

(1)        Landesarchiv Freistaat Thüringen

            Hauptstaatsarchiv Weimar

            Staatliches Bauhaus Weimar

            08. Schülerschaft

 

(2)        C. I. Bauer

            Architekturstudentinnen in der Weimarer Republik

            Bauhaus – und Tessenow Schülerinnen

Inaugural – Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der  Ingenieurwissenschaften

Kassel, 2003, S. 59

 

(3)        Internet: Son of Stöltzli close Bauhaus friend,

            Lis Chomton-Abegg

 

(4)        Horst Sassin,

            Liberale im Widerstand

            Die Robinsohn Strassmann-Gruppe 1934-1942

            Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte

            Hamburg: Christians, 1993

           

(5)        Wikipedia, Elisabeth Abegg

 

(6)        Manfred Galaus / Clemens Vollnhals

            Mit Herz und Verstand: Protestantische Frauen im Widerstand gegen die

            NS-Rassenpolitik

            Vandenhoeck & Ruprecht 2013, S. 71, 96