Von Elke Lier / OTZ / 14. September 2015

 Gera. Vor 101 Jahren wurden die Arbeiten an Haus Schulenburg beendet. Im Auftrag des Geraer Textilfabrikanten Paul Schulenburg hatte Henry van de Velde, der belgische Architekt und berühmte Bauhauswegbereiter ein Gesamtkunstwerk geschaffen.  

Als Volker Kielstein 1996 das über die Jahre verfallene und bis 1990 als Medizinische Fachschule genutzte Gebäude erwarb, verschaffte er sich im van de Velde-Archiv La Cambre in Brüssel einen Überblick über Baupläne und Skizzen, um das Haus detailgetreu sanieren zu können.  

Anhaltspunkt: Zeichnung im Stil Art déco

Eine zarte Zeichnung zeigte die Eisenverzierung an der Tür des Teehäuschens im frühen Art déco Stil van de Veldes, erinnert sich der Hausherr. Doch das Teehäuschen war nur noch Erinnerung an gesellige Teegesellschaften. 1955 wurde es umfunktioniert zu einer Trafo-Station der Energieversorgung Gera. Die Türöffnung und ein Fenster wurden zugemauert, die Treppe abgerissen. In einem Land, in dem Baustoffe knapp waren, nahm damals ein Bauarbeiter die offensichtlich nutzlos gewordene Tür mit. Der Trafo blieb bis 2008.  

Der Arzt Volker Kielstein, der von seiner Klinik in Magdeburg oft in die alte Heimatstadt Gera fährt, hier die Sanierungsarbeiten an dem Museum gewordenen Baudenkmal akribisch vorantreibt und Kultur ins Haus holt, wählte vor etwa sieben Jahren eine andere Abfahrt von der Autobahn als üblich. Ehefrau Rita erinnert sich. Wir kamen von Rüdersdorf, fuhren durch Scheubengrobsdorf und plötzlich rief mein Mann: Das gibts in keinem Russenfilm! Er stoppte abrupt, fuhr ein paar Meter zurück und zeigte auf eine Garage . Dort fand sich an der Seite eingepasst die Teehäuschentür von Haus Schulenburg.

Das fotografische Gedächtnis Kielsteins hatte hervorragend funktioniert. Nach mehreren Rücksprachen mit den Besitzern wurde vereinbart: Eine neue Tür in Eiche für die Garage, dafür kommt die alte zurück.

Die überarbeitete Teehäuschen-Tür (Foto: Karsten Friedrich)

Hier war die Tür eingebaut (Foto: Christina Schellin)

Inzwischen wurde sie heimgebracht in die Straße des Friedens 120. Zuvor jedoch wurde sie von dem Aumaer Tischler Henry Flach restauriert und im gleichen Schiefergrau gestrichen, wie sich das Dach des Baus zeigt. Unser handwerkliches Multitalent, Andreas Kopp, hat die Treppenstufen gemauert und die Tür wieder eingesetzt, sieht das Ehepaar Kielstein nun zufrieden der Rückverwandlung von der Trafostation zum Teehäuschen zu. Es soll wieder einen Boden erhalten und an der Seite wie einst ein Fenster. Bei Freiluftveranstaltungen kann es als Teehäuschen funktionieren oder zum Catering genutzt werden.

Weltweit hat Volker Kielstein Unterlagen , Dokumente zu diesem Haus zusammengeholt, auf Versteigerungen Pläne des Wohnzimmers von 1928 entdeckt und in Anerkennung seiner Arbeit von den Nachkommen der Familie Schulenburg Unterstützung in Form von Informationen oder Leihgaben erhalten.

Eintragungen aus diesem Sommer ins Gästebuch bestärken ihn in der Überzeugung, ein vor 20 Jahren fast unmöglich erscheinendes Unterfangen hervorragend gelöst zu haben. So heißt es: Ich bin restlos begeistert von diesem Haus und seiner Schönheit und würde am liebsten sofort einziehen. Der belgische Botschafter a. D. in Deutschland, Mark Geleyn, schreibt: Es ist ein Vergnügen zu erfahren, dass die Werke unseres Landsmannes in Deutschland so große Anerkennung gefunden haben. Vom 5. August 2015 datiert ist der französisch verfasste Satz: Das beste Haus von Henry van de Velde, was ich je gesehen habe.

Jenem Bauarbeiter, der 1955 die alte Tür gebrauchen konnte, ist Volker Kielstein dankbar. Er hat sie gerettet, vielleicht wäre sie sonst für immer verloren.