von Elke Lier / otz / 14. Juli 2014

Gera. Bei der Rekonstruktion von Haus Schulenburg gab die Rückseite einer alten Leiste eine berührende Botschaft preis: "Karl Teubner, Glaser aus Weimar arbeitete in dem Neubau bis zum Ausbruch des Feldzugs gegen Frankreich, Russland und England, den er als Landwehrmann mitmachte. 6. August 1914".

Im Kriegsjahr 1914 ging das Haus Schulenburg seiner baulichen Vollendung entgegen und der Glaser zog kurz nach der Mobilmachung in einen verheerenden Weltkrieg. Dieses Stück Leiste mit seiner Bleistiftinschrift ist ebenso Zeitzeugnis der Kriegskatastrophe wie die Grafiken und Zitate der aktuellen Ausstellung "Grafik 1914 bis 1918", die Volker Kielstein zusammengetragen hat.

Seinem Großvater Edwin Krauß und dem Glaser Karl Teubner, dessen Schicksal ungewiss blieb, widmete Volker Kielstein die Ausstellung. An den Großvater blieb ihm ein großes Foto im Wohnzimmer der Großeltern in Erinnerung, "das ihn zeigte in Soldatenuniform, Pickelhaube, mit weißen Rosen im Gewehrlauf und roten Rosen an der linken Brustseite, Großmutter und Sohn festlich angetan, ein Bild vor der Einberufung 1914. Der Großvater überlebte den Krieg nach Verschüttung mit einer chronischen Wunde am Bein. Der Erschießung durch die Franzosen entging er durch eine verzweifelte Flucht. Über die anderen Erlebnisse im Krieg sprach er nicht."

Man muss Zeit mitbringen in diese Ausstellung, um Originalgrafiken von Klee, Feininger, Kokoschka, Kubin, Scharf aus dem "Zeit-Echo" sowie anderer Künstler und Artikel aus damaligen Zeitschriften wie "Der Sturm", "Der Bildermann", "Kriegszeit-Flugblättern" oder dem "Simplicissimus" zu betrachten und zu verstehen. Und man ist erstaunt, dass ein Dichter wie Johannes R. Becher, der Verfasser der DDR-Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen" mit zu den patriotischen Kriegsbefürwortern zählte. Wie auch Thomas Mann, der 1914 meinte: " Es gibt nur einen wirklich ehrenhaften Platz heute, und es ist der vor dem Feind." Der gleiche Thomas Mann, der nur 24 Jahre später, ab 1940 vom Exil aus 58 Ansprachen "An die deutschen Hörer" sandte, um den Nationalsozialismus zu entlarven und um seine Erkenntnis mitzuteilen, "dass Deutschland einen Krieg gegen die Welt nicht gewinnen kann."

Volker Kielstein bekennt vor einer Besuchergruppe: "Mich hat die Akzeptanz des Krieges durch solche Dichter gewundert. Angesichts des Machthungers und des Profites sowie unrealistischer Heilserwartungen gingen alle zwischenmenschlichen Werte verloren." Für ihn sei diese Ausstellung eine spannende politische Lehrstunde gewesen, Kriegsursachen und -zusammenhänge besser zu begreifen. Aus der Besucherrunde resümierte Hartmut Schubert : "Wie schnell waren doch im damaligen Sieg- und Machtgeschrei menschliche Bedenken weggespült. Bei heutigen Konflikten wie in der Ukraine sollte man deshalb nicht in Klischee-Denken verfallen, sondern fragen, worin die Ursachen liegen und wie Europa diplomatisch befriedet werden kann." Richard Dollinger meinte anerkennend: "Herrn Kielstein ist es gelungen, in diesem historischen Gebäude Geschichtsbewusstsein zu vermitteln, die Zeit von vor 100 Jahren nacherlebbar zu machen." Bernd Krüger schlug dem Hausherrn vor, Haus Schulenburg weiter so erfolgreich zur Stätte regen geistigen Austausches zu entwickeln.

Das Ehepaar Rita und Volker Kielstein würde sich über mehr Schüler- und Lehrerinteresse an der Ausstellung freuen, die bis Ende Dezember läuft. "Ethik, Geschichte, Kunsterziehung, alle Fächer können hier bedient werden. Wer, wenn nicht die Kinder, sollten aus Fehlern vorangegangener Generationen lernen?" fragen sie und laden ein.